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Übergriffe im Zug? Ein Kundenbetreuer gibt Entwarnung

14.09.2023
Betrieb
Kundenbetreuer
Michael Froitzheim ist bereits seit 10 Jahren Kundenbetreuer bei der BRB (Foto: BRB).

Seit knapp zehn Jahren ist Michael Froitzheim Kundenbetreuer bei der BRB. Wer ihn kennt – dazu gehören viele Pendlerinnen und Pendler aus dem Netz Ammersee-Altmühltal – schätzt seine angenehme und unaufgeregte Art. Das kommt ihm sicher auch im Zug zugute, wenn sich brenzlige Situationen ankündigen.

Er liebt seinen Job, das merkt man spätestens dann, wenn er davon erzählt, wie schön es ist, morgens bei Sonnenaufgang Richtung Schongau am Ammersee entlangzufahren. „Jeder Tag ist anders“, erzählt er und meint damit nicht etwa das Wetter, sondern seine Fahrgäste. „Jeder Tag schreibt andere Geschichten.“ Er trifft auf Menschen mit unterschiedlichen Charakteren, für die er jeweils passende Lösungen finden müsse. Wo früher, als man noch Schaffner sagte, Fahrkartenverkauf und Kontrolle an vorderster Stelle standen, geht es heute mehr um die Kundenbetreuung, um Auskünfte im undurchsichtigen Tarif- und Anschlussdschungel.

Die Arbeitsinhalte haben sich verändert und auch die Fahrgäste. „Die Leute sind heute schneller einmal aggressiv und man kann nicht immer deeskalieren“, erzählt Michael Froitzheim. Doch er lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, will die Zugfahrt zum Erlebnis machen, geht aktiv auf die Kunden zu, plaudert auch, wenn er Zeit hat, mit seinen Fahrgästen. In die Wiege wurde ihm seine Arbeitsstelle nicht gelegt. Er war Kfz-Mechaniker, hat in der Logistikbranche gearbeitet, hat eine Umschulung zum Industriekaufmann hinter sich und kam durch seine gelegentlichen Zugfahrten mit der BRB auf die Idee, Kundenbetreuer zu werden. Also raus aus der Fabrikhalle und rein in den Zug und erst mal Tarife und Beförderungsbedingungen büffeln, Bahnsteigdienst lernen, Ansagen im Zug üben und nach der Ausbildung dann erste Erfahrungen sammeln.

Fingerspitzengefühl gehört auch zu meinem Beruf.
Michael Froitzheim, Kundenbetreuer bei der BRB
Ticketkontrolle
Die Ticketkontrolle ist eines der bekanntesten Tätigkeiten eines Kundenbetreuers (Foto: BRB/ Dietmar Denger).

Bereut hat er diesen Wechsel nicht, im Gegenteil. Auf seinen Fahrten zwischen Eichstätt, Ingolstadt, Augsburg, Geltendorf, Weilheim und Schongau hat er schon bei einem Junggesellinnenabschied mit den Frauen im Zug getanzt und erntete dafür Applaus. Doch er kann auch anders. Wenn er merkt, dass sich da ein Konflikt anbahne, dann bleibe er zwar freundlich, aber bestimmt. Sicherheit und Autorität demonstriert er, wenn es nötig ist. „Man braucht schon ein breites Kreuz und muss sich durchsetzen können“, sagt er. Doch er weiß auch, wann es besser ist, sich zurückzuziehen, statt auf seinem Recht zu beharren. „Fingerspitzengefühl gehört eben auch zu meinem Beruf.“

Freilich kann er im Ernstfall immer die Bundespolizei hinzuziehen, aber diese Möglichkeit nutzt er nur in besonderen Fällen. Enthemmt seien die Menschen oftmals durch Alkoholeinfluss. Dann verlieren sie schnell den Respekt und dann gilt es für Michael Froitzheim abzuwägen, ob er den Konflikt sucht: „Aus Erfahrungen lernt man, bekommt Routine, kann Situationen im Laufe der Jahre besser einschätzen.“ Die BRB steht ihren Kundenbetreuerinnen und Kundenbetreuern aber auch mit Deeskalationstrainings zur Seite. Ein Polizeibeamter führt sie durch und in Rollenspielen wird richtiges Verhalten für den Ernstfall geübt.

Und wie oft kommt es zu diesem Ernstfall? „Gott sei Dank sehr selten“, meint Michael Froitzheim ohne zu zögern. Aber wenn eine Gruppe alkoholisierter Männer nachts im Zug auf Randale aus ist, dann ist auch ihm mulmig. „Richtig gefährlich wurde es in all den Jahren für mich nur zweimal. Einmal wurde ich von einer größeren Gruppe angegangen, alle waren augenscheinlich schwer betrunken. Es ging um das Bayern-Ticket Nacht, dessen Gültigkeit aber um 7 Uhr abläuft. Und es war zu dem Zeitpunkt schon weit nach 7 Uhr. Als ich die Gruppe darauf ansprach, sie müssten nachlösen, schlug die Stimmung innerhalb einer Sekunde um und ich wurde angegriffen. Zum Glück kam mein Tf zur Hilfe und informierte die Bundespolizei. Wir konnten dann aber doch noch deeskalieren und alles ging glimpflich aus. Der andere Fall war ähnlich und glücklicherweise blieb ich in meiner Dienstzeit immer unverletzt.“

„Da haben wir im Gegensatz zu anderen Bundesländern doch insgesamt wenige Probleme auf unseren Zügen in Bayern“, betont er erleichtert.

Doch er kennt Fälle, wo es Kollegen doch erwischt hat: ein Flaschenwurf aus nächster Nähe traf „nur“ die Schulter, das hätte auch anders ausgehen können. Morddrohungen kommen vor, sind aber eher selten. Bei solchen Vorfällen ist es auch bei ihm vorbei mit der Freundlichkeit. Das gilt auch für Fahrgäste, die systematisch schummeln, ihn anlügen. Das merkt er schnell und dann ist nicht mit ihm zu spaßen. Oft erkenne man das schon am Verhalten, an der Mimik. Dann werden EBE, erhöhte Beförderungsentgelte, fällig. 60 Euro und der Wert der nicht vorhandenen Fahrkarte.

Was mag er an seiner Arbeit besonders? „Ich kann selbstständig arbeiten, habe keinen Chef, der mir ständig über die Schulter schaut.“ Das heiße aber auch, dass man eigenverantwortlich arbeite, Verantwortung trage, die einem niemand abnehmen könne. Schade findet er, dass die Gesellschaft heute so wenig Zivilcourage zeige. Wirft jemand Abfall auf den Boden, legt jemand die Füße auf den Sitz, dann muss der Kundenbetreuer das regeln. Dass Fahrgäste selbst andere Fahrgäste auf ihr Fehlverhalten ansprechen, wird immer seltener. Und das, was man früher als Selbstverständlichkeit schon als Kind lernte, nämlich seinen Sitzplatz für ältere Menschen freizumachen, das sei heute auch kaum noch der Fall. Wird der Kundenbetreuer angepöbelt oder gar geschubst, darf auch ein Fahrgast ruhig einmal einschreiten, findet er. Doch die meisten Fahrgäste werden nicht handgreiflich, sind eher genervt und gestresst und verhalten sich dementsprechend und das müsse ein Kundenbetreuer auch aushalten und manches Mal seinen Ärger runterschlucken.

„Wir wollen doch Kunden gewinnen, nicht verlieren.“ Das ist sein Motto. Und wenn die Kunden zu ihm freundlich sind und ihn mit Respekt behandeln, dann tut er es umgekehrt auch. Gut, dass das in den Zügen der BRB überwiegend der Fall ist.

7 Tipps für brenzlige Situationen im Zug:

  • Bleiben Sie ruhig: weder provozieren lassen noch selbst provozieren!

  • Fordern Sie in kritischen Situationen andere Fahrgäste zur Mithilfe auf!

  • Informieren Sie Kundenbetreuer oder Triebfahrzeugführer über den Notknopf im Türbereich!

  • Schauen Sie nicht weg: besser genau beobachten und Täter einprägen!

  • Rufen Sie die Polizei unter der Notrufnummer 110!

  • Kümmern Sie sich um Opfer: Erste Hilfe kann lebenswichtig sein!

  • Stellen Sie sich als Zeuge zur Verfügung: Ihre Aussage bewirkt viel!

Patrick Wagner
Patrick Wagner ist seit fast 15 Jahren Teamleiter der Kundenbetreuer in den Netzen Ammersee-Altmühltal und Ostallgäu-Lechfeld. (Foto: BRB)

Patrick Wagner, seit fast 15 Jahren Teamleiter der Kundenbetreuer in den Netzen Ammersee-Altmühltal und Ostallgäu-Lechfeld, war früher selbst als Kundenbetreuer in den Zügen unterwegs. Was hat sich in all den Jahren verändert? „Die Grundstimmung der Fahrgäste ist negativer geworden. Der gesellschaftliche Zusammenhalt hat unter der Corona-Pandemie gelitten. Was vor der Pandemie für viele Reisende keine Hürde darstellte, wird heutzutage sehr emotional aufgenommen. Viele Reisende sind nicht mehr so tolerant wie früher. Dies führt dazu, dass zum Teil bereits kleinste Situation eskalieren können. Man spricht von der Bahn als solcher und unterscheidet leider nicht zwischen den einzelnen Zuständigen. Das verstehe ich zwar, denn das ist alles sehr kompliziert, aber unsere Kundenbetreuerinnen und Kundenbetreuer in den Zügen kann man nicht für alles verantwortlich machen. Wir alle, vor allem unsere Kundenbetreuer, geben täglich ihr Bestes, um unseren Fahrgästen die Fahrt so angenehm wie möglich zu gestalten.“

Iris Gassi
Iris Gassi ist Leiterin Kundenservice bei der BRB. (Foto: BRB)

Iris Gassi ist Leiterin Kundenservice bei der BRB. Sie nennt Zahlen: „Ich schätze, dass jährlich zwischen 50 und 100 Übergriffe im gesamten Netz der BRB stattfinden. Rund ein Viertel davon sind tätliche Übergriffe, also zum Beispiel Handgreiflichkeiten und Schubsen, die übrigen drei Viertel sind verbale Angriffe. Zu sexuellen Übergriffen kommt es Gott sei Dank nur sehr selten. Wir haben rund 180 Kundenbetreuerinnen und Kundenbetreuer auf unseren Zügen, fahren pro Jahr mehr als 13 Millionen Zugkilometer mit über 30 Millionen Fahrgästen. Das ist keine Kleinigkeit. Wenn ich mich mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern unterhalte, dann kann ich sagen, dass in Bayern die Welt noch ziemlich in Ordnung ist, obwohl natürlich jeder Übergriff einer zu viel ist. Geahndet werden Übergriffe selbstverständlich, wenn es möglich ist. Fahrtausschluss, Hausverbot, erhöhtes Beförderungsentgelt für nicht vorhandene oder falsche Tickets, Erstattung von Anzeigen, auch mithilfe von Kameraaufzeichnungen in unseren Zügen. Wir lassen uns nicht auf der Nase herumtanzen und müssen unsere Mitarbeitenden auch schützen.“

Die Zuständigkeiten im Eisenbahnbereich sind hier erklärt: BRB im Eisenbahnbereich

Wer sich beruflich verändern möchte, findet hier jede Menge interessante Jobangebote, nicht nur als Kundenbetreuer*in: Karriere und Jobs

Annette Luckner

Pressesprecherin, BRB

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